Bilanz ziehen...

Und erst einmal ein bisschen Bilanz ziehen, oder? Seit meinem Abschluss als Bühnendarstellerin in Tanz, Gesang und Schauspiel an der Stage School in Hamburg ist doch einiges passiert. Das war letzten Mai. Danach folgte erst einmal unser Abschlussprojekt, 'Chicago' von John Kander und Fred Ebb, welches wir bis Mitte Juli im schuleigenen Theater spielten, im First Stage. Im August führte mich mein erster Job nach der Schule nach Darmstadt, zum Theater auf Tour. Mit dem Familienstück 'Feuerwehrmann Sam rettet den Zirkus' sollte ich ein Jahr lang immer mal wieder auf Tour sein (siehe auch: Achtung, fertig, ab ins Leben!). Diese übergroßen Puppenkostüme sind äußerst komplex: schallplattengroße Schuhe, eine eher wenig atmungsaktive Kleidung, bestehend aus Hose, einer Art Brustpanzer, Jacke und Handschuhen, und schließlich aber der Kopf, der ein nicht außer Acht zu lassendes Eigengewicht hat, wenig Sicht bietet, und wie war das nochmal mit der Luft? Sich in diesem Kostüm zu bewegen, zu tanzen, zu rennen, das ist die sportliche Herausforderung in diesem Stück. Die andere Herausforderung ist, der Puppe Leben zu verleihen. Das Kostüm lässt keine kleinen Bewegungen zu, die wären ganz einfach nicht zu erkennen unter den dicken Schichten. Mimik ist auch nicht zu haben, also muss des Leben aus der Bewegung kommen, und was Schauspieldozenten ein Leben lang predigen, wird spätestens hier verstanden: dass 'die Emotionen in den Körper mit rein sollen', durchfließen sollen. Denn es gibt ganz einfach keine anderen Möglichkeiten. Eine spannende Arbeit also, wie ich sie in diesem Extrem bisher nicht erfahren hatte, und ein tolles Ensemble, mit dem ich im September und im Oktober jeweils für eine gute Woche durch Deutschland tourte, um in großen, meist ausverkauften Theatern vor vielen kleinen und nicht mehr ganz kleinen Kindern zu spielen.

Im November begannen in Hamburg Proben für die diesjährige Weihnachtsshow im First Stage Theater. Die Cast der Weihnachtsshow bestand aus Schülern der Stage School, sowie Ehemaligen, unter anderem mir. Wie schon bei anderen Shows der Schule konnte ich erneut eine Mischung von auf und hinter der Bühne machen. Denn meine Neugier hört auf der Bühne nicht auf, das ganze rundrum fasziniert mich nicht minder. Also inszenierte ich mit zwei aktuellen Schülerinnen ein Terzett, 'Ich wünsche mir' aus 'The Witches of Eastwick'. Dann wurde ich in ein Stepp-Projekt eingearbeitet, und zwischen diesen zwei Nummern, dem Opening und dem Finale mit der kompletten Cast, war der Rest meiner Zeit gut ausgefüllt als Stage Managerin. Ich war Ansprechperson für die Cast, kümmerte mich um was auch immer zu tun war, war während den Shows hinter der Bühne für den reibungslosen Showablauf und die Mikroports zuständig, sowie Kommunikationsverbindung zur Regie hoch. Eine spannende Zeit, mal wieder, die Regisseure Elise Barendregt-Loermans und Jasper Barendregt sind ein eingespieltes Team, und haben gemeinsam viele Shows auf die Beine gestellt. Eine intensive Zeit auch, denn die Kombination ist ungewöhnlich, die Kombination aus hinter der Bühne zu tun zu haben, und zwischendurch mal kurz auf die Bühne zu hüpfen. 38 Shows spielten wir, ab Mitte November bis kurz vor Weihnachten vor gut 9000 Zuschauern. Ich hatte viel Verantwortung, lernte somit viel, in meiner Zusammenarbeit mit der Regie, der Technik, dem Licht. Mein Terzett war schon während den Proben für uns zu einem besonderen Projekt geworden, es jeden Abend gemeinsam auf die Bühne zu bringen, setzte dem das Krönchen obendrauf. So nahm ich aus diesen zwei Monaten unglaublich viel mit, all around the stage.


Im Dezember verbrachte ich zwischendurch auch ein paar Tage in der Schweiz. Bei der Weihnachtsfeier der Kantonsschule Romanshorn, an der ich 2013 meine Hochschulreife erlangte, war ich als Sängerin engagiert. Für die alleinige musikalische Untermalung des Abends zuständig, machte ich, begleitet von einem Pianisten, einen Streifzug durch die Welt der Musicals und der Chansons. Am 24. und 25. Dezember schließlich hauste ich größtenteils in der katholischen Kirche Steinebrunn. Da begleitete ich als Sängerin die beiden Gottesdienste am Heiligabend, und am 25. unterstützte ich den Kirchenchor als Solistin bei der Pastoralmesse von Colin Mawby.

Dann das neue Jahr. Zurück in Hamburg gab es ein paar Proben und viel Eigenarbeit für die Übernahme einer Rolle in 'Silver Ladies' im Hamburger Engelsaal. Dazwischen ging es wieder nach Darmstadt. Nachdem Sam ab Mitte November keinen Zirkus zu retten hatte, hatten wir zwei Tage Wiederaufnameproben, und für mich stand zusätzlich eine neue Figur auf dem Plan. Vorher hatte ich den Elvis gespielt, den naiven, leicht dümmlichen Feuerwehrmannfreund von Sam, und bis Ende Mai würde ich meistens ihn verkörpern. Für einige Vorstellungen aber würde ich in die Penny schlüpfen, die weibliche Quote in der Feuerwache, und natürlich bewegt sich Penny ganz anders, als Elvis. Und die Köpfe, wie sie alle anders sind, da konnte ich bei der Penny auf einmal erstaunlich viel sehen, und erstaunlich leicht atmen!

Nach diesen zwei Tagen in einer anderen Ecke Deutschlands, stand in Hamburg meine Premiere im Engelsaal an. Chantal ist die junge, freche Angestellte in Evelin Engels Frisiersalon, dem die Kündigung droht, und so gibt es einiges zu tun, bevor sich neuer Hausbesitzer und die weiblichen drei Musketiere samt Anhang einig sind. Ein Stück, das zum Zuschauen Spaß macht, wie ich selbst fand, bei der letzten Vorstellung mit der ursprünglichen Besetzung, die ich gesehen hatte, und auch zu spielen Spaß macht. Ein schwungvolles Stück mit schöner Musik, viel Humor, und Leichtigkeit.

Nach erfolgreicher Vorstellung wurde ich sogleich angefragt, in der neusten Produktion des Engelsaals eine Swingposition zu übernehmen. 'Mama Loo', ein Stück mit den Songs der Les Humphries-Singers, und bereits standen viele Termine an, die ich übernehmen könnte. Damit bin ich beim heutigen Tag angekommen. Immer wieder fahre ich weg, um unter einem dicken Kostüm viel Körperwärme zu sammeln, um mal ein bisschen weniger Luft zu verbrauchen, um als Feuerwehrmann oder -frau den Zirkus zu retten. Dann bin ich im Engelsaal, die doch liebenswürdige Angestellte im Frisiersalon, die zwar eher schlecht, als recht, die Lockenwickler dreht, und werde bald als Biggi oder Saskia auf einer großen Les Humphries-Party auf einer Reise durch die Zeit. Zwischendurch bin ich auf Auditions, zeige mich überall, wo mich jemand sehen möchte, und dann... na, dann schaue ich mal, was das Leben so bringt!

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Ich wollte endlich lernen, so zu gucken, als hätte ich ein Geheimnis, und nicht, als wäre mir die Welt eines. So, als wäre ich voller Rätsel, und nicht, als wäre mir die Welt ein riesengroßes. - Joachim Meyerhoff